Sourcing für Onlinehändler

04.02.2020

Import aus China versus Einkauf in der EU – Wann ist was sinnvoll?

„Im Einkauf liegt der Gewinn“, diese bekannte Handelsweisheit gilt heute mehr denn je. Gerade Onlinehändler stehen permanent im preislichen Wettbewerb. Dieser Beitrag zeigt die Vor- und Nachteile der verschiedenen Einkaufsstrategien auf und zeigt verschiedene Beschaffungsstrategien für Onlinehändler.

Der Import aus Asien

Die Hauptargumente für den Import aus Asien sind in der Regel der günstige Netto-Stück-Preis sowie die große Auswahl an Produkten und Herstellern und die große Flexibilität in Richtung individuelle Herstellung. Im Allgemeinen sind die chinesischen Hersteller auch bereit mit jedem Händler zusammen zu arbeiten, der bezahlen kann. In Europa muss man dagegen häufig erst einmal ein „Bewerbungsverfahren“ durchlaufen, bei dem an dem Punkt „Onlinehändler und Verkauf auf Marktplätzen“ auch mal schnell eine Absage kommt.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch klare Nachteile bei einem Lieferanten aus Fernost. Je nach Produktgruppen und Frachtmöglichkeiten muss in China eine deutlich höhere Menge gekauft werden als in Europa. Denn bei großen und/oder schweren Produkten rechnet sich häufig nur der Seeweg für den Transport. Dort führen jedoch schon die Handlingskosten am Hafen dazu, dass die chinesischen Produzenten in dem entsprechenden Produktsegment nur Aufträge über 5000 Dollar Wert annehmen. Diese Einschränkungen gibt es beispielsweise im Bereich Dekoration und Polyresin. Dagegen sind Produkte aus dem Bereich Fashion oder Elektronik in der Regel in kleinen Mengen einfach über Luftfracht zu versenden. Auf jeden Fall sind die Logistikkosten aber aufgrund der großen Distanz höher und der Transport dauert länger als beim Bezug in Europa, so dass man in diesem Bereich immer langfristiger planen muss. Bei Seefracht muss man insgesamt mit zirka 6-7 Wochen rechnen, 4 Wochen für den reinen Seeweg, der Rest fällt für Vor- und Nachlauf am Hafen und im jeweiligen Land an.
In der Regel wird der Chinese auch Individualisierungen erst ab einer gewissen Menge anbieten. Die Sprachbarriere kann die Kommunikation schwierig gestalten. All diese Punkte führen dazu, dass das Risiko, dass letztlich etwas schief geht, höher ist als beim Einkauf bei einem etablierten Hersteller oder Importeur.
Wenn sich ein Onlinehändler für den Import aus China oder einem anderen Drittland (also Nicht-EU) entscheidet, muss er beachten, dass er damit zum Quasi-Hersteller wird. In vielen Segmenten gibt es zum Schutz des europäischen Verbrauchers gesetzliche Vorschriften und Verordnungen, die ein Produkt, das in die EU eingeführt werden soll, erfüllen muss. Beispielsweise bei Elektrogeräten, Spielwaren oder auch Produkten, die mit Lebensmitteln oder dem menschlichen Körper in direkten Kontakt kommen. Gibt es derartige Regularien für eine Produktgruppe, dann muss der Importeur anhand einer Konformitätserklärung darlegen, dass das importierte Produkt den Vorschriften entspricht („konform ist“). Am Produkt selbst wird das CE-Zeichen angebracht um das Erfüllen der Vorschriften offen zu zeigen.
Beim Import in die EU prüft die zuständige Zollstelle, ob das Produkt diese Verordnungen erfüllt. Der Importeur ist dafür verantwortlich, all diese Verordnungen einzuhalten und haftet in diesem Zusammenhang auch für spätere Schäden, die das Produkt verursacht.
Der Importeur sollte sich also vorher darüber informieren, welche Nachweise, Zertifikate und Kennzeichnungen die Produkte benötigen. Allein für Elektrogeräte können das die CE-Kennzeichnung, Registrierung nach dem Elektrogesetz, Elektrostoffverordnung (RoHS-Richtlinie), Prüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV-Prüfung), Eintragung ins Elektronik-Altgeräteregister und der Nachweis bleifreien Lötens sein. Dies nur als Beispiel. Wer sich über die nötigen Kennzeichnungen und Zertifikate für einen bestimmten Produktbereich informieren möchte, kann dies bei der Plattform ProductIP (www.productip.de). Die Fachleute dort können bereits ab 30 Euro alle Anforderungen herausfinden, die für die Verkehrsfähigkeit eines Produktes erfüllt sein müssen.

Beschaffung innerhalb der EU

Die Nachteile der Beschaffung in Fernost bilden die Basis für die Vorzüge des EU-Sourcing. Händler können hier bereits produzierte Handelsware in kleinen Mengen einkaufen, und bei Bedarf schnell und flexibel nachkaufen. Für die Einhaltung aller Vorschriften ist der Importeur zuständig, der an den Händler verkauft. Zeigen sich Probleme mit fehlenden CE-Zeichen (ich erinnere an die Import- und Zollmisere der Handspinner im Frühjahr 2017) kann der Händler seinen Lieferanten in Regress nehmen und für eventuelle Schäden haftbar machen. Demgegenüber stehen die höheren Stückpreise beim Einkauf. Ein genaues Kalkulieren mit allen Kosten (inclusive Fracht, Zoll und Finanzierung etc.) ist deshalb nötig.
Wer Produkte in der EU beschaffen möchte, kann dies beispielsweise auf zentrada (die Basismitgliedschaft ist für Händler kostenfrei) oder die IAW in Köln besuchen.

Die richtige Beschaffungsstrategie für den Onlinehandel

Eine allgemein gültige Strategie Entweder-Oder macht aus den vorgenannten Gründen für den Onlinehandel keinen Sinn. Stattdessen gibt es verschiedene Erfolgskonzepte zum Thema Beschaffung. Zwei davon stellen wir hier vor:
– Einsteiger-Strategie: Clevere Onlinehändler starten in neuen Produktgruppen immer mit Handelsware aus der EU. Damit können Sie sofort erkennen, welche Zertifikate erfahrene Importeure nachweisen und sammeln außerdem Erfahrungen mit den Produkt- und Kundenfeedbacks. Sie erkennen welche Anforderungen Kunden an die Produkte haben, wie groß die Marktnachfrage ist, welche Preisniveaus am Markt durchsetzbar sind und welche Features Probleme machen. Diese sind dann Grundlage von Produktinnovationen bei eigenen Entwicklungen. Der angenehme Nebeneffekt: Für immer mehr Kategorien erwartet Amazon zur Freischaltung eine Lieferantenrechnung als Beleg. Dafür eignen sich die Rechnungen der europäischen Hersteller und Importeure allgemein besser als eine chinesische.
– Sortiments-Mix-Strategie: Auch die größten Onlinehändler importieren nicht alles selbst in China. Ebenso wie erfahrene Importeure sich auf bestimmte Hauptproduktgruppen beschränken und den Rest bei Kollegen zukaufen, importieren große Onlinehändler ihre Kernsortimente in Mengen in Fernost. Ergänzungssortimente, Trendwaren und kurzfristige Angebote werden aber bei Importeuren und Großhändlern in Europa gekauft.

Zu diesem Thema gibt es aktuell ein Coachingvideo von Martina Schimmel auf Youtube. https://youtu.be/0pQAJE6RzgE

Gastbeitrag: Martina Schimmel, zentrada

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